Vor drei Monaten war es nur eine Idee – dann wurde es ein Projekt – in dieser Woche haben die beiden Hamburger Lehrerinnen Carolin Brandt, 42, und Annette Diekmann, 53, ihr Vorhaben in die Wirklichkeit umgesetzt – Schulunterricht auf dem Bremer Freimarkt.
27 Schüler haben ihr Klassenzimmer an der Stadtteilschule Bramfeld mit der gemütlichen Elch-Hütte auf der Kirmes getauscht. Auf dem Programm u.a.: Wirtschaft, Politik und Geschichte. Wilde Maus-Chef Max Johannes Eberhard, 70, aus Hamburg hatte sie eingeladen, der Vorsitzende des Bremer Schaustellerverbandes, Rudi Robrahn, empfangen:
„Großartig, dass junge Menschen Interesse am Schausteller-Alltag zeigen, dass wir die Gelegenheit nutzen, die verschiedenen Facetten des Gewerbes mit den Sonnen-und Schattenseiten zu beleuchten“,
so der 50jährige Elch-Hütten-Besitzer. Zwei Stunden lang beantworteten die Schausteller die Fragen der Schüler. Und sie hatten viele Fragen. Wollten wissen, ob die Familie mitarbeitet, ob man die Berufswahl bereut hat, wie der Betriebsalltag genau aussieht, wie viele Stunden am Tag und im Jahr man wirklich arbeiten muss, wie hoch die Kosten sind, wie man ein Geschäft finanziert, ob Personal für die Kirmes leicht zu finden sei – aber auch wie die Familien die Zeit des Nationalsozialismus erlebt haben usw….
Sie haben sich wochenlang vorbereitet, im Internet recherchiert und Fragen-Kataloge erstellt. Am Ende muss jeder Schüler bis Weihnachten eine Präsentation erarbeiten. Den Schwerpunkt dürfen die Hamburger Jungen und Mädchen selbst wählen.
„Mit dieser Form von Unterricht wollen wir nicht nur Hand und Kopf verknüpfen, sondern handlungsorientierten Unterricht fächerübergreifend und mit Realitätsbezug anbieten“,
sagt Annette Diekmann. Und weil alle Theorie grau ist, ging es nach dem Fragen-Marathon an die Praxis. Bierzapfen am Tresen der Elch-Hütte.
„Nur Zapfen, nicht trinken“,
fügte Lehrkraft Carolin Brandt energisch hinzu. Und Gastronom Robrahn entdeckt ein neues Thema.
„Hygieneverordnungen, Lebensmittelkontrollen und auch die Frage, ob genügend Bier in dem Glas ausgeschenkt wird – alles unterliegt ständigen Überwachungen“,
so der Vater von zwei erwachsenen Töchtern, die nach einer ordentlichen Schulausbildung auch im Familienbetrieb helfen. Und dann ging es auf den Festplatz. Bei der Wasserbahn der Familie Heitmann haben die Schüler erfahren, dass rund 40 Kubikmeter Wasser im Einsatz sind, bei der fünfstöckigen Geisterbahn von Rico Rasch ging es mit der Laserpistole auf Zombie-Jagd.
An der Wilden Maus XXL stand die technische Realisierung von Virtuell Reality im Vordergrund der Diskussion. Die zentrale Frage: Wie können Streckenführung und Filmaufnahmen synchron bei der Achterbahnfahrt ablaufen?
Am Ende eines fast fünfstündigen Kirmes-Unterrichtes waren sich die Schüler, die übrigens alle noch nie auf dem Bremer Freimarkt waren, einig:
„Hier gibt es viel Spaß. Aber unglaublich, dass hinter den bunten Fassaden soviel Arbeit steckt und die Schausteller so wenig Freizeit und so viele Probleme haben.“
Das WILDE MAUS Team dankt allen Schaustellern auf dem Bremer Freimarkt, die das Hamburger Schulprojekt möglich gemacht haben.
„Auf dem Volksfest kann man eben auch für das Leben lernen – es ist auch eine Schule für ALLE“,
sagt Maus -Chef Eberhard abschließend.